Bachforellen in Hamburg?

Bachforellen lieben als Leittiere der „Forellenregion“ stark strömendes, sauerstoffhaltiges Wasser mit kiesigem oder steinigem Grund. Auch sollte es kaum wärmer als 10 °C sein. Da sich die Forellenregion typischerweise im Oberlauf von Flüssen findet, es das Wasser meist sehr klar und typische Vertreter der Forellenregion befinden sich eher im Gebirge mit seinen oft typischen Quellstrukturen.

All dies findet sich in Hamburg nicht.

Und dennoch zeigt sich, dass es in und um Hamburg Forellen gibt: Der „AV Alster“ berichtet, dass sein unermüdliches Bestandsmanagement im Alsterlauf nach über 10 Jahren Früchte getragen hat und tatsächlich erste Meerforellen zum Laichen zurückgekehrt sind.

Das lässt aufhorchen. Meerforellen in der Alster, einem Flüsschen, das in der allgemeinen Wahrnehmung von Spaziergängern unter dem Stichwort „tot“ rangiert und das der Angler typischerweise der „Brassenregion“ zuordnet, also dem genauen Gegenteil der „Forellenregion“? Und dann auch noch als Aufsteiger, als Rückkehrer aus dem Meer, um hier zu Laichen – das klingt so fantastisch, dass es sich sicher lohnt, sich ein wenig mehr damit zu beschäftigen.

Bewirtschaftung der Alster

Der AV Alster ist alles andere als untätig in der „Salmo-Trutta“-Bewirtschaftung der Alster. Dabei beschränkt er sich ganz und gar nicht auf sein erklärtes Herzensprojekt der Wiederansiedlung der Meerforelle, sondern führt auch regelmäßigen Besatz von Bachforellen durch. Allerdings muss das nichts heißen. Besatzforellen haben eine Vielzahl von Fressfeinden: Die kleineren Fische fallen sicherlich zu einem erheblichen Teil der gesunden Hechtpopulation oder dem in Hamburg immer häufiger anzutreffenden Kormoran zum Opfer. Größere Exemplare sind, gerade direkt nach dem Besatz, in dem sich die Bachforelle gern für ein paar Wochen total irritiert in Grüppchen irgendwo statisch reinhängt, natürlich eine potentiell leichte Beute für Angler.

Um das Abangeln von Besatzfischen soll es im „Projekt Bachforelle“ aber nicht gehen. Wir wollen uns nicht mit dem Kescher unter die Kippe des Besatzlasters stellen, die Frage ist vielmehr, ob sich in der Alster inzwischen eine vernünftige Population der Bachforelle gebildet hat. Ob sie sich hier auch reproduziert sei dahingestellt, aber Bachforellen in Größen, die darauf hindeuten, dass sie sich bereits seit Jahren halten können, wären schon was.

Recherche

Am Anfang steht, wie so oft, die Recherche. Gibt es in der Alster überhaupt für Forellen attraktive Abschnitte, die insbesondere typische Merkmale der Forellenregion aufweisen? Also hohe Strömungsgeschwindigkeiten, Sauerstoffeintrag durch Verwirbelung und möglichst auch klares Wasser? Der erste Anlaufpunkt Google Maps bringt hier wenig Erhellendes, also heißt es: Feldforschung betreiben. Glücklicherweise führt beinahe entlang der gesamten Länge der Alster der Alsterwanderweg. Und den muss man dann halt abarbeiten und mit offenen Augen nicht nur nach „Forellenregiönchen“ suchen, sondern auch nach geeigneten Zugängen für den Angler. Die Alster ist nämlich an beiden Ufern meist sehr eingewachsen und schwer mit der Angel zu erreichen – besonders, wenn das Grün im Frühsommer ordentlich austreibt.

Quelle: Mojofishing

Ein typisches Wehr am Alsterlauf mit dem Wehrsturz.

Man wundert sich: Es finden sich tatsächlich kleine Abschnitte, die sehr vielversprechend sind. Einerseits sind dies Wehre (in Hamburg meist „Schleusen“ genannt), die schon allein technisch für reichlich Wirbel sorgen, weil das Wasser auf der einen Seite zurückgestaut wird und auf der anderen Seite des Wehres dann herabstürzt. Es gibt aber auch kleine Stromschnellen, an denen sich der Alsterlauf meist verengt, so dass die Strömungsgeschwindigkeit steigt. Hier sind z. T. sogar Geröll, Baumstümpfe und Kies künstlich eingebracht worden, wobei nicht klar ist, ob dies von und für Angler oder von und für die allgegenwärtigen Kanuten als kleiner „Thrillride“ gedacht ist.

Die richtigen Köder

Doch vor den Angelspaß hat der liebe Gott das Angelgeschäft gesetzt. Was braucht man eigentlich für einen erfolgreichen Angelausflug „auf Forelle“? Ein wenig Vorab-Recherche zahlt sich hier aus. Sicherlich der Köder für die Bachforelle ist der Spoon, eine Art Mini-Blinker in bunten Farben und einem Gewicht von um die 2-3 Gramm. Gleichmäßig durchs Wasser gekurbelt, erzeugt er interessante Reflexionen und Druckwellen. Weiterhin macht auch der typische Spinner Sinn, denn er tut im Grunde das gleiche, ist aber aggressiver, weil das Spinnerblatt stärker rotiert.

Relativ neu auf dem Markt sind Jig-Spinner, im Grunde Mini-Crankbaits mit einem gewissen Eigengewicht, so dass sie zügig sinken, und einem kleinen Spinnerblättchen am hinteren Ende.

Ein freundlicher Tipp von @marcel_tahn_fish_and_music, der bei sich an der Wupper viel auf Forelle fischt, sind Creaturebaits als Micro-Jig, also mit kleinen Jigköpfen von bis zu 3 Gramm. Außerdem empfiehlt er kleine, flach laufende Wobbler, wie man sie auch vom Barschangeln kennt.

Wichtig ist, dass man bei allen Ködern (vielleicht außer den Jig-Spinnern mit Duo-Haken) die Drillinge durch Einzelhaken ersetzt. Drillinge „sperren“ gern beim Biss von Forellen und greifen nicht richtig, während sich Einzelhaken gerade bei etwas Zug meist sicher in die Maulwinkel drehen und dort fassen.

Das richtige Tackle

Die Köder sind also alles Fliegengewichte und wer eher das schwere Gerät zum Zander- oder Karpfenangeln im Schrank hat, sollte gleich mal die Abteilung im Angelgeschäft wechseln: UL-Tackle ist angesagt, denn sonst bekommt man diese fitzeligen Köder überhaupt nicht vernünftig in Fahrt und eine 3000er Rolle macht bei den geringen Wurfweiten an der UL-Rute ohnehin keinen Sinn. Sinnvoll ist eine Rute von 1,80-2,00 Meter, einem Wurfgewicht bis 7 Gramm, wer es etwas straffer mag, auch bis 10 Gramm, und einer vernünftigen Spitzenaktion. Als Rolle genügt eine 1500er oder, wenn man sie etwa auch für das Vertikalangeln einsetzen möchte, auch einen Tick größer.

Die Rute sollte stabil genug sein, dass sie nicht bei jedem Hänger im Blattwerk abbricht, ansonsten kommt es auf ein gutes Gefühl an und sie muss nicht teuer sein. Bei der Rolle lohnt es sich aber, sich an den namhaften Herstellern im mittleren Preissegment zu orientieren und nicht zu sehr auf den Cent achten, denn hier ist entscheidend, dass sie eine wirklich gute und fein justierbare Frontbremse hat. Das sollte man sich sorgfältig anschauen und nach Möglichkeit auch testen: Die Schnur muss absolut ruckfrei ablaufen und die Bremse sollte wirklich zuverlässig justierbar sein. Bei UL-Tackle läuft der Ausgleich der Fluchten des Fisches fast ausschließlich über die Rolle. Die Rute mit ihren fitzeligen 7 Gramm und den 1,80 Meter Länge setzt einer 45er Forelle (oder Schlimmerem) nur wenig entgegen, anders als z. B. lange Matchruten beim Friedfischangeln. Wenn dann die Bremse die Schnur nicht ruckfrei freigibt, steigen entweder der Fisch oder die Rute aus. Daher sollte sie auch so gut justierbar sein: Gibt der Fisch Gas, muss man schnell und wohldosiert reagieren können.

Bild von einer kleinen AngelrolleQuelle: Mojofishing

Eine kompakte 1500er Rolle ist für das UL-Angeln völlig ausreichend.

Lasst Euch auf Eure neue Rolle gleich im Angelladen eine vernünftige Schnur aufspulen. Viel braucht es nicht beim UL-Angeln, erstens wirft man keine großen Distanzen, zweitens sind große Fluchten nicht zu erwarten. 70-80 Meter sind mehr als genug. Bei der Stärke gilt: Je dünner, desto besser, aber umso schwerer zu angeln. Dünne Schnur hat den Vorteil, dass der leichte Köder nicht durch die Schnur zu sehr in seinem Spiel beeinträchtigt wird. Allerdings reißt dünne Schnur auch viel schneller und die unvermeidlichen Hänger können da leicht ins Geld gehen, gerade wenn man etwas ungeübt ist. 0.10er Geflochtene ist prima, 0.08er noch etwas besser, aber auch riskanter. In den Glaubenskrieg, ob 4-fach oder 8-fach geflochten steigen wir hier nicht ein: 8-fach Geflochtene ist geschmeidiger und fliegt beim Wurf besser durch die Ringe (was wir hier kaum brauchen), 4-fach Geflochtene ist etwas steifer, dafür aber auch robuster. Wer sich nicht sicher ist, wie gut er die UL-Angelei beherrscht, kann also einen Kompromiss gehen und sich eine dünnere 4-fach Geflochtene aufspulen lassen.

Schließlich sind Vorfach und Kleinteile nicht zu vergessen. Das Vorfach ist der größte Knackpunkt bei der ganzen Montage: Klassischerweise ist überall in der Alster mit Hechten zu rechnen. Andererseits vertragen sich Stahl- oder Titanvorfächer kaum mit den ultraleichten Ködern und der dünnen Schnur. Hardmono ist ganz auszusortieren, also muss es zumindest Fluorocabon sein, das nicht zu dünn ist – damit man im Falle des Falles zumindest etwas hat, was man einem Hecht entgegensetzt. Zu dick darf es auch nicht werden, dann passt alles nicht mehr zusammen. Das Risiko bleibt also bestehen. Zu lang muss es übrigens nicht sein und ans Ende gehört ein Snap mit Wirbel, um möglichen Drall des Köders etwas auszugleichen.

Reise, Reise!

Ist alles beisammen, kann es losgehen. Als erstes werden verschiedene Wehre, bzw. genauer: die Wehrstürze, angesteuert. Hier ist viel Trubel, durch das herabstürzende Wasser kommt reichlich Sauerstoff hinein, obwohl die Strömung an sich kaum nennenswert stärker ist, als an anderen Stellen. Die Herausforderung besteht hier vor allem in der Köderkontrolle. Die leichten Creaturebaits am Micro-Jig oder Spoons werden ordentlich umhergewirbelt. Aber das würde den Fischen auch passieren, so dass sie sich kaum länger direkt unterhalb des Wehrsturzes aufhalten. Daher ist die Strategie, die Wehrstürze anzuwerfen und dann zügig herauszukurbeln – so als sei der Köder ein kleines Fischchen, dass gerade den Sturz heruntergekommen ist und nun leicht verwirrt das Weite sucht. Forellen verfolgen diese Fisch gerne, also auch auf Nachläufer achten.

Alternativ gibt es rechts und links von Wehrstürzen oft stark strömungsberuhigte Stellen, in die sich Räuber einstellen, um das Geschehen im aufgewühlten Wasser zu beobachten. Hier kann man mal ein paar Würfe mit Micro-Jig machen und den Boden abklopfen. Man wundert sich: Auf diese Weise wurde im Rahmen der Recherche ein knapp 90er Hecht auf einen kleinen Creaturebait in Form eines Käfers mit deutlich unterdimensioniertem Tackle gefangen. Da natürlich kein hechtsicheres Vorfach montiert war, hieß es Vorsicht im Drill, der dann auch gut und gerne eine Viertelstunde gedauert hat, bis der Fisch versorgt und (da Schonzeit und außerhalb des Entnahmefensters) schonend wieder zurückgesetzt wurde. Was für ein Schreck.

Bachforellen in der Alster fischen heißt ganz klar Strecke machen und sich darauf einstellen, dass man auch einmal etwas anderes fängt. Von Hechten über Barsch bis hin zu außen gehakten Rotaugen kann alles an der Schnur hängen. Wenn sich an einem Spot nichts tut, dann muss eben weitergezogen werden. Dabei immer die Augen offen halten und wie eine Forelle denken: Wo verengt sich der Wasserlauf, so dass die Strömung zunimmt? Wo gibt es Rauschen? Wo finden sich Überhänge oder ausgehöhlte Uferböschungen, idealerweise mit sandigem oder kiesigem Grund? So kommen gern einmal 6-8 km zusammen, in denen man verschiedene Stellen ausprobiert.

Geduld zahlt sich aus

Aber Geduld und Hartnäckigkeit zahlen sich aus, wenn man sich dann an einer typischen Rausche schon beim dritten Wurf mit einem 3-Gramm-Spoon über eine tolle „Trutte“ von 36 cm freuen kann – in Hamburg und aus der Alster. Wer hätte das gedacht? Und die Größe deutet darauf hin, dass sie hier nicht erst seit gestern als Besatzfisch lebt.

Bild von einer Bachforelle von 36cmQuelle: Mojofishing

Was für ein schöner Fisch: Diese Bachforelle von 36cm stieg relativ schnell auf einen typischen „Spoon“ ein. Es gibt sie also, Bachforellen in der Alster – und das auch noch in einer vernünftigen Größe!

Allerdings, und das muss man ganz klar sagen, die Bachforellen machen es dem Alsterangler durchaus schwer. Es ist nicht gerade so, dass sie in den Kescher springen. Trotz Besatz kommen hier vermutlich drei Faktoren zusammen: Erstens sorgt der gute Hechtbestand im Alsterlauf dafür, dass sich Besatzfische gar nicht erst umfassend verteilen können. Zu viel landet direkt im Magen der Esoxe. Zweitens ist der Alsterlauf nicht gerade kurz. Rund 55 km Länge bedeuten auch, dass der verbliebene Rest aktueller oder ehemaliger Besatzfische sich ordentlich verteilen kann. Und letztlich macht es einem die Alster auch nicht wirklich leicht. An vielen Stellen ist sie, vor allem ab Frühsommer, doch arg zugewuchert oder überwachsen, so dass man entweder nicht ans Wasser kommt oder massiv mit Hängern zu kämpfen hat. Die erreichbaren guten Stellen sind leicht ausgemacht und dann auch schnell leer gefischt: Forellen sind standorttreu und verteidigen ihr Revier. Wird ein Fisch entnommen, siedelt sich aber gerade deswegen nicht unmittelbar ein neuer Fisch dort an. Das kann durchaus dauern.

Aber Spaß macht es trotzdem, den Beweis anzutreten, dass es in einem „toten“ Fluss in der „Brachsenregion“ tatsächlich Bachforellen gibt. Mit UL-Tackle ein wirklich spannendes Fischen, vor allem, wenn dann der Esox einsteigt.

Monate später …

Bild von einer kleinen Bachforelle und einem SpoonQuelle: Mojofishing

Was für eine Überraschung! Diese kleine, kaum 10 cm lange Bachforelle biss auf einen Spoon. Gibt es inzwischen natürlichen Nachwuchs im Alsterlauf?

Es ist ja nicht so, dass einen die Aussicht auf Bachforellen aus dem Alsterlauf völlig kalt lässt. Nach einigen Monaten sollte es die gleiche Stelle dann noch einmal bringen und tatsächlich, bereits nach wenigen Würfen gab es einen Biss auf einen kleinen 2-Gramm-Spoon. Was dann aber zum Vorschein kam, verwunderte und begeistere gleichermaßen: Es handelte sich um eine kleine, keine 10 cm lange Bachforelle. Sollten sich die „Trutten“ inzwischen doch im Alsterlauf vermehren?

Was für eine tolle Aussicht. Und tatsächlich, eine Rückfrage beim Fischwart beförderte zumindest eine Möglichkeit zu Tage: Zwar würden in der Alster regelmäßig Bachforellen, auch als Brütlinge besetzt, gleichzeitig hätte sie aber begonnen, sich auch natürlich zu reproduzieren. Was für eine tolle Sache!