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Was macht das Wetter mit den Fischen?
Jeder Angler hat sich schon mit dem Einfluss des Wetters auf das Beißverhalten von Fischen auseinandergesetzt und jeder Angler hat seine Meinung dazu: Sei es, dass bei einem Wetterumschwung nichts mehr geht – oder direkt nach einem Gewitter wahre Beißorgien starten. Die Anglerweisheit, dass sinkender Luftdruck besonders Zandern das Maul vernagelt und man dann erst einmal auf drei Tage konstantes Wetter hoffen muss, hat bestimmt jeder schon gehört.
Auch wenn hier sicherlich viel Anglerlatein im Spiel ist, lässt sich nicht bestreiten, dass das Wetter irgendeinen Einfluss auf den Fangerfolg hat – fragt sich nur, welchen und warum.
Einer der am häufigsten genannten Einflussfaktoren ist sicher der Luftdruck. Wenn schon wetterfühlige Menschen Probleme bei Wetterumschwüngen und den damit einhergehenden Schwankungen im Luftdruck haben, liegt die Vermutung nahe, dass auch Fische hier sensibel reagieren.
Der Luftdruck und die Schwimmblase
Luftdruck im meteorologischen Sinne wird in Pascal (Pa) gemessen und meist in Hektopascal (1 hPa = 100 Pa) angegeben. Physikalisch betrachtet ist 1 Pascal der Druck, den 1 Newton auf 1 Quadratmeter ausübt. Sehr theoretisch, aber es gibt zwei interessante Zusammenhänge zu Werten, die eigentlich jeder kennt. Zum Einen gibt es hier die „gute alte“ Einheit der Atmosphäre (atm): Eine Atmosphäre stellt den Normaldruck auf Meereshöhe dar – kennt jeder, der schon einmal bei durchschnittlichem Wetter an Nord- oder Ostsee am Strand gestanden hat. Zum Anderen entspricht 1 hPa exakt der geläufigeren Druckeinheit Bar, genauer 1 mbar. Der – zugegeben immer noch etwas kryptische – Zusammenhang lautet:
1 atm = 1.013,25 hPa = 1.013,25 mbar
In den Wetterberichten, die wir alle im Fernsehen, Radio oder unseren Wetter-Apps sehen und hören, werden Druckunterschiede in eben diesen hPa angegeben. Ein Tiefdruckgebiet zeichnet sich durch einen niedrigeren Luftdruck, ein Hochdruckgebiet durch einen höheren Luftdruck aus, jeweils gemessen in seinem Zentrum und immer verglichen mit dem Normaldruck von 1.013,25 hPa. Der tiefste, jemals in Deutschland gemessene Wert liegt übrigens bei 948,6 hPa (am 26.2.1989), der höchste bei 1.057,8 hPa (23.1.1907). Die bisher beobachtete Schwankungsbreite um den Normaldruck auf Meereshöhe liegt also bei max. -6,5 % und +4,3 %. Viel ist das nicht, zumal sich die wetterrelevanten Druckschwankungen üblicherweise in einer Range von rund 970 hPa (Orkantief) und 1.030 hPa (extremes Hochdruckgebiet) abspielen.
Dies gilt für die Meereshöhe. Bewegt man sich in Höhenlagen, so besagt eine sehr vereinfachte Faustregel, dass der Luftdruck alle 80m um 1 % abnimmt. Nehmen wir den genannten absoluten, jemals gemessenen Tiefstwert von 948 hPa, so entspricht dies dem Druckunterschied beim Besteigen eines Berges von nur gut 500 Metern Höhe.
Im Wasser sieht die Situation deutlich anders aus. Das spezifische Gewicht von Wasser ist wesentlich höher, als das von Luft, insofern baut sich durch die „Wassersäule“, die auf ein Lebewesen wirkt, ein ungleich höherer relativer Druck auf: Pro Tiefenmeter nimmt im Süßwasser der Wasserdruck um 0,1 bar = 100 hPa oder 100 mbar zu. Auch verläuft der Druckzuwachs linear, denn Luft wird durch ihr eigenes Gewicht komprimiert, während Wasser nahezu nicht komprimiert werden kann. In 10m Tiefe beträgt der Druckunterschied verglichen zur Oberfläche bereits 10 * 100 mbar = 1.000 mbar = 1.000 hPa – dazu kommt noch der atmosphärische Luftdruck, so dass hier ein Druck von 2.013 hPa wirkt. Dieser Druck ist immens und mit einer Bewegung in der Luft kaum vergleichbar. Näherungsweise wäre es so, als würde auf dem Gipfel des Kilimandscharo (Höhe: gut 5.700 Meter) Normaldruck von 1.013 hPa herrschen und wir steigen den Berg bis auf Meeresniveau hinab.
Der Zander wird gern als typisches Beispiel für einen stark auf Luftdruckänderungen reagierenden Fisch angeführt. Begründet wird dies meist mit seiner Physiologie: Beim Zander erfolgt der Druckausgleich der Schwimmblase im Vergleich zu vielen anderen Fischen nicht über die direkte Aufnahme oder das Ausscheiden von Luft, vielmehr muss die Luft in der Schwimmblase über den Blutkreislauf verstoffwechselt werden. Natürlich dauert damit die Adaption sich ändernder Druckverhältnisse oder die Anpassung der statischen Schwimmlage länger, als etwa beim Hecht.
Beim Zander weiß man, dass er sich tagsüber eher passiv in tieferen Regionen aufhält, während er 1-2 Stunden vor und nach den Dämmerungen des Tages ins Flachwasser kommt, um aktiv zu jagen. Rechnen wir einmal nach: Tagsüber hält sich ein Zander z. B. in 8 Metern Tiefe auf und erfährt dort einen Umgebungsdruck (Wasserdruck plus Luftdruck, der ja von oben ebenfalls wirkt) von 8 * 100 hPa + 1.013,25 hPa = 1.813,25 hPa. In der Dämmerung jagt er auf, sagen wir, 1 Meter Tiefe und ist dort einem Druck von 1 * 100 hPa + 1.013,25 hPa = 1.113,25 hPa ausgesetzt. Übrigens beträgt der mittlere Tidenunterschied der Tidenelbe in und um Hamburg rund 3,6 Meter – allein dies entspricht einem Druckunterschied von 360 hPa und das haben Zander ebenfalls zwei Mal am Tag – rauf und runter.
Der Zander ist also ohne Weiteres in der Lage, mehrmals am Tag einen Druckunterschied von rund 700 hPa auszugleichen und dabei Drücke zu vertragen, die jenseits jeglichen Hochdruckgebietes liegen. Sonst würde er es ja nicht machen.
Wenn nun aber im Rahmen eines Tiefdruckgebietes der Luftdruck um etwa 20 hPa sinkt, wirkt auf den Zander auch nur ein um 20 hPa geringerer Druck. Umgerechnet auf die Tiefe im Süßwasser sind dies gerade mal 0,2 Meter. Der Zander (wie jeder andere Fisch) könnte also die Auswirkung dieser Luftdruckänderung allein dadurch ausgleichen, dass er seine Schwimmtiefe um 20 cm verändert und müsste nicht den Innendruck seiner Schwimmblase verändern. Problem gelöst.
Es erscheint also wenig plausibel, dass Fische, die ohne Weiteres Tiefenunterschiede von mehreren Metern auch mehrmals am Tag vertragen können, durch den vergleichsweise geringen Luftdruckunterschied eines Tief- oder Hochdruckgebietes physisch in Mitleidenschaft gezogen werden und mit akuter Unlust reagieren.
Die Schwimmblase kann also eigentlich nicht der Grund sein, auch nicht beim Zander, dass sich das Beiß- und Fressverhalten der Fische bei Luftdruckschwankungen ändert.
Luftdruck und Sauerstoffsättigung
In der Luft beträgt die Sauerstoffsättigung auf Meeresniveau ungefähr 1/5 – übrigens unabhängig von Temperatur und Höhe, denn durch beide ändert sich die Dichte insgesamt, also die Anzahl Moleküle pro Volumeneinheit, und nicht die Zusammensetzung der Luft.
Im Wasser sieht das schon anders aus. Die Lösungsfähigkeit von Sauerstoff in Wasser hängt stark von Temperatur und Druck (Luft- wie Wasserdruck) ab und gerade gerade die Temperatur hat einen erheblichen Einfluss auf die Sauerstoffsättigung – eine Temperaturzunahme von 10°C auf 20° C bedeutet bei Süßwasser bei Normdruck einen Rückgang der Sättigung von 11,3 mg/l auf 9,1 mg/l – das sind fast 20 % und das ist auch der Grund, warum gerade bei starken Temperaturanstiegen im Wasser, etwa im Frühsommer, immer wieder Fische an der Oberfläche zu beobachten sind, die nach Luft schnappen. Auch wenn Fische eine gewisse Toleranz bei der Sauerstoffsättigung aufweisen, sind schlagartige größere Temperaturanstiege für Fische eigentlich immer ein Problem.
Verglichen damit hat der Luftdruck eine nur geringe Auswirkung auf die Sauerstoffsättigung. Vereinfacht gesagt verhält sich der im Wasser gelöste Sauerstoff, sofern denn Sättigung erreicht ist, bei Änderungen des Luftdrucks wie die Kohlensäure in einer Cola-Flasche. Öffnet man den Deckel, sinkt der Druck, der auf die Flüssigkeit wirkt und die Kohlensäure gast aus. Je höher der vorher aufgebaute Druck war, desto mehr Bläschen steigen auf.
Angenommen, durch ein Tiefdruckgebiet sinkt der Luftdruck auf 973 hPa (-40 hPa), was schon für ordentlich schlechtes Wetter spricht. Bei 15°C Wassertemperatur sinkt die Sauerstoffsättigung von 10,1 mg/l auf 9,7 mg/l, also um „nur“ 4 %. Einen identischen Effekt hätte auch eine Erwärmung um 1,5° C auf 16,5° C. Das passiert durchaus regelmäßig im Rahmen typischer Temperaturschwankungen und damit haben Fische eigentlich keine Probleme.
Dazu kommt, dass Fische unterschiedliche „kritische“ Bereiche aufweisen, ab denen die Sauerstoffsättigung zu einem Problem wird. Bei Barschartigen beginnt der optimale Bereich bei 7,0 mg/l aufwärts. Vorübergehend werden auch Sättigungen von 6,0-7,0 mg/l toleriert, während hinunter bis 4 mg/l der kritische Bereich liegt und bei 4mg /l die „Todeszone“ beginnt. Salmoniden sind da deutlich intoleranter, ihr optimaler Bereich liegt ebenfalls bei ab 7 mg/l, aber die tödliche Untersättigung startet bereits bei 6 mg/l. Cypriniden (Karpfenartige), interessanterweise aber auch Hechte, sind da erheblich toleranter: Das Optimum startet bei ihnen schon bei 5 mg/l, während die tödliche Konzentration unterhalb 3 mg/l, beim Hecht kurzzeitig sogar unterhalb 1 mg/l, liegt.
Die Sauerstoffsättigung spielt also durchaus eine Rolle für unsere Fischarten. Liegt sie, ggf. auch anhaltend, unterhalb des Optimums, führt dies bei Fischen zu Stress und wirkt sich mit Sicherheit auf das Beißverhalten aus. Die Fische versuchen dann, durch Inaktivität mit dem geringeren Sauerstoffgehalt klarzukommen oder wechseln den Standort. Allerdings ist der durch Luftdruckschwankungen mögliche direkt Einfluss erheblich geringer als z. B. Temperaturschwankungen oder exogene Faktoren, wie Nährstoffeinträge, die zu Algenblüten (und viel schlimmer: einem späteren Algensterben) führen.
Die veränderte Sauerstoffsättigung durch Luftdruckschwankung kann es also auch nicht wirklich sein.
Luftdruck und Verhaltensänderung
Wie gesagt, unstrittig ist, dass es Verhaltensänderungen bei Fischen gibt, wenn sich das Wetter ändert. Auf Schwimmblase und Sauerstoffsättigung lässt sich dies aber nicht zurückführen. Eine plausible Theorie ist, dass gerade typische Beutefische im Schwarm anhand des Luftdrucks antizipieren, dass ihnen etwas droht, und sie ihre Einstände ändern. Sinkender Luftdruck geht oft Wind und Regen voraus, was zu einem höheren Nährstoffeintrag führen kann. Insekten werden eher auf das Wasser gedrückt, Kleinsttiere und Pflanzenteile wie Blätter werden durch Regen ins Wasser gespült, was zu einer Veränderung der Nahrungsstruktur im Wasser führt. Auch verschlechtert sich die allgemeine Sicht im Wasser, weil es insgesamt dunkler wird. Dies begünstigt bestimmte Räuber, wie etwa den auf Dämmerung spezialisierten Zander.
Andererseits sorgt Regen aber auch für Einschwemmungen von Erdreich an den Uferregionen, was zu Eintrübungen führt und gerade auf Flucht ausgerichtete Friedfische das Weite suchen lässt, weil sie sich hier nicht mehr sicher fühlen. Im Gegensatz dazu gehen Hochdruckgebiete Schönwetterperioden voraus, durch die erhöhte Sonneneinstrahlung produzieren Unterwasserpflanzen mehr Sauerstoff, flache Regionen erwärmen sich (für wechselwarme Fische nicht unerheblich, auch wenn dies oft mit geringerer Sauerstoffsättigung bezahlt wird) und die Sicht verbessert sich, so dass Bedrohungen besser erkannt werden.
Ändert sich aber das Verhalten der Beutefische, ändert sich auch das Verhalten der Raubfische. Ziehen die Friedfischschwärme in tiefere Regionen, folgen die Raubfische. Kommen die Friedfische ins Flache, warten die Raubfische vielleicht schon.
Zwei Effekte lassen sich also beobachten: Erstens bringen vor allem stärkere Luftdruckschwankungen Unruhe und Unsicherheit, da sich die Systeme verschieben. Viele Fische gehen dann erst einmal auf Nummer sicher. Zweitens beißen Fische nicht mehr an den todsicheren Stellen, weil sie vielleicht einfach nicht mehr da sind. Wären sie noch da, würden sie vermutlich genauso gut oder schlecht beißen, wie sonst auch.
Im Grunde beantwortet diese Theorie die Frage, warum sich der Luftdruck auf das Verhalten der Fische auswirkt, überhaupt nicht. Aber sie liefert einen Hinweis darauf, wie sich Luftdruckschwankungen auswirken und wie man sich darauf einstellen kann.
Luftdruck und Angler
Eine letzte Theorie gibt es noch, wenn auch eine ganz verwegene: Der Luftdruck beeinflusst auch das Verhalten des Anglers. Einerseits durch eine Menge Anglerlatein, wie die berühmte Schwimmblase der Zander, andererseits durch eigene Erfahrungen, zu viel Routine und eine ordentliche Portion persönliche Bequemlichkeit.
Es kann nämlich schlicht und einfach sehr gut sein, dass die schlechtere Bissausbeute nur daran liegt, dass weniger Angler bei Schietwetter rausgehen. Dann gibt es natürlich auch weniger Fangberichte. Außerdem ist es ungemütlich, nass und kalt. Gerade Spinnfischer brauchen aber einen Rhythmus, ihren „Flow“, um Angelerfolg zu erzielen. Persönliches Unbehagen landet zwangsläufig im Köder, der anders geführt wird. Das merkt der Fisch natürlich und verspürt eher keine Lust, zu beißen, obwohl ihm der Luftdruck erstmal egal ist. Der Angler fängt den Fisch und wenn der Angler eigentlich keine Lust hat, hat auch der Fisch keine Lust.
Dazu kommt, dass wir alle natürlich auch Gewohnheitstiere sind. Wir steuern natürlich immer gern den geliebten „Hotspot“ an und positionieren unsere Pose dort, wo es todsicher beißt oder werfen mit dem Gummifisch immer wieder die gleiche Strömungskante ab. Was wir dabei aber außer Acht lassen ist, dass der Fisch vielleicht gerade deshalb nicht beißt, weil er gar nicht da ist. Und so hat der Luftdruck dann doch ganz konkrete Auswirkungen auf die Bissausbeute: Bewegt sich der Fisch, weil sich der Luftdruck ändern, ist er halt nicht mehr da, wo wir ihn todsicher vermuten – sondern vielleicht 10 Meter weiter links. Da würde er beißen, wenn er den Köder zu Gesicht bekäme, tut er aber nicht, weil wir stur die gleiche Kehrströmung abarbeiten, wie immer, und still über den Luftdruck schimpfen.
Und nun?
Es gibt keine wissenschaftlichen Studien über die Auswirkungen des Luftdrucks auf das Beiß- und Fressverhalten der Fische. Alles, was wir haben, sind biologisch-physikalische Theorien, Vermutungen und Berichte von Anglern. All dies wird aber niemals die Qualität einer seriösen Studie aufweisen können, die eine hinreichende Grundgesamtheit aufweist und objektive Maßstäbe für die Beurteilung der Ergebnisse anlegt. Wir können Indizien kombinieren und wenn alle anderen Möglichkeiten ausscheiden, ist die letzte verbleibende, mag sie auch noch so unwahrscheinlich sein, die einzig wahre, wie es schon ein berühmter englischer Detektiv so treffend formulierte.
Insofern lässt sich also die Frage danach, warum sich der Luftdruck so auswirkt, wie er sich (offenbar) auswirkt, derzeit kaum abschließend beantworten. Aber wir können zumindest mit ein paar Mythen aufräumen. Und wir können uns bewusst machen, wie die Zusammenhänge sind – dann haben wir nämlich auch eine Chance, zu verstehen, wohin es den Fisch verschlagen hat, trotz oder gerade wegen des Luftdrucks.